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    10 Jahre Velotaxi in der Schweiz

    Martin Vosseler und Bertrand Piccard im Velotaxis an der Sun21 vor dem Kongresszentrum Basel (28. 6.2002)
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    Vor genau 10 Jahren ging eine grosse Bestellung von 20 Velotaxis bei Veloform in Berlin ein. Absender war die Schweizer Firma Pedaline AG in St. Gallen.

    Dank Bundesgelder sollte es möglich sein, innovative Mobilitätskonzepte an der Landesausstellung Expo02 zeigen zu können und mit ressourcenschonenden Fortbewegungsmitteln und Elektromobilität gegenüber dem Stand anderer Ländern aufzuholen. Dank der Expo02 fällt also der Startschuss, Personen mit Velotaxis zu befördern, unter tatkräftiger Mitwirkung des Velokurier in Biel und Militärdienstleistender in Murten.

    Am Anfang waren grosse Hürden zu nehmen. Eine davon war die Typengenehmigung durch das Astra, denn das Amt klassifizierte das neuartige Gefährt trotz Tempobeschränkung und Pedalen nicht als Velo, wie dies in anderen europäischen Ländern der Fall war, sondern als Motorrad. Damit war bei der Genehmigung mit demselben Aufwand zu rechnen, der auch für neu eingeführte Fahrzeuge für die Massen erforderlich ist: Nebst Bremsen, dem Licht, dem Antrieb, welcher für das hügelige Terrain in Schweizer Städten entwickelt werden muss (siehe Newsletter), wurden damals sogar Messungen der Lärmemissionen, welche Elektrofahrzeuge verursachen könnten, vorgenommen. Ein Velotaxi in der Schweiz benötigte einen Rückwärtsgang, Aufblendlicht, Blinklicht hinten und vorne, Elektrohupe, Taxmeter und weitere Gerätschaften mehr, wie die Astra befand (Beitrag SF). An die Einführung weiterer Modelle oder einer Eigenentwicklung in der Schweiz mit kleiner Stückzahl war damit nicht zu denken.

    Glücklicherweise nahm sich Brüggli AG in Romanshorn, welche sich bereits durch die legendären Veloanhänger Leggero schweizweit einen Namen gemacht hatte, dem Problem an. Sie gründete eigens die Firma Pedaline, welche den Import, die Typengenehmigung sowie das Marketing an die Hand nehmen würde. Leider ist die Firma nicht sehr lange aktiv und es kam nicht zu weiteren Importen von Velotaxis aus Berlin. Erst eine im Jahre 2011 in den Medien prominent auftretende Firma Rikschataxi Schweiz AG bemühte sich wieder um die Zulassung, diesmal für die neuere Generation von Velotaxis, dem CityCruiser II. Die Geschichte bewegte einiges, vielleicht weil man es verstand, die mit der Zulassung einhergehende Bürokratie genüsslich bloss zu stellen.

    Tatsächlich waren die Hürden wie auch schon vor 10 Jahren hoch gelegt und die erste Inverkehrssetzung für die Velotaxis fand unter besonderen Voraussetzung, der Eröffnung der Expo02, statt. Der CEO des Velokuriers Biel erzählt von einer Begegnung mit dem damaligen Verkehrsminister Bundesrat Moriz Leuenberger: «Für Leuenberger war das Gefährt neu und er hatte natürlich entsprechende Fragen zur Technik. Diese Fragen sind auch für uns erst seit kurzem beantwortet, da wir die technischen Tests zwei Tage vorher durchführen konnten.» (Pikantes Detail: Die offizielle Zulassung der Gefährte durch das Strassenverkehrsamt erfolgte just eine Stunde vor dem Treffen mit Leuenberger!) Quelle: Velojournal vom Juni 2002.

    Wie ging es weiter? Leider konnte sich der Velokurier die Gelder für die Unterhaltskosten, welche während der Expo02 weitgehend durch die Pedaline gedeckt wurden, nicht aus eigener Kraft beschaffen. Die Sponsorensuche erwies sich in Biel wie auch in anderen Städten, in welchen die Velotaxis mit grosser Euphorie eingeführt wurden, als schwierig. Mehr Erfolg hatte die Pedaline selber, welche vor Ort die Thurbobahn Ostschweiz für eine länger andauernde Werbepartnerschaft gewinnen konnte. Die in Velofragen sehr engagierte Stadt Wil (SG) erteilte dem Velotaxi kurzum eine gewerbemässig Sonderbewilligung. So betrieb Umwelt-Taxi Schwendimann bis 2010 schweizweit als einziger ein Velotaxi (Artikel dazu in der Woz: Der Traum vom Bio-Taxi), bis ein Achsenbruch das vorläufige Ende dieses Expo02-Relikts bedeutete.

    Nur ein Jahr später konnte sich Velotaxi Basel dank der substanziellen Unterstützung des IWB'Ökoenergie-Fonds zwei CityCruiser in die Schweiz zurück holen. Die oben erwähnte Rikschataxi Schweiz AG nahm zeitgleich das Zepter für den Vertrieb der CityCruiser II in der Schweiz sowie Chile in die Hand, noch ohne Garantien, ob es mit der Zulassungsgenehmigung klappen würde. Man hoffte darauf, die rigide Gesetzgebung rechtzeitig umbiegen zu können.

    10 Jahre nach der Expo02 fragen wir uns: Ist die Schweiz jetzt wirklich bereit für Velotaxis? Darf man dank den Erleichterungsparagraphen weniger 30 km/h und Elektrofahrzeuge auf den Durchbruch hoffen? Die Bilanz ist durchzogen, eine Zulassung für die Fahrzeuge als Velo so wie in der EU hat in der Schweiz nach wie vor kaum eine Chance, denn Zugeständnisse der Behörden, dass sich saubere Velotaxis wie Segways dort freier bewegen dürfen, wo Autos ausgeschlossen sind, erfolgen zögerlich.

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    Tilmann Schor, Initiant Velotaxi Basel, Juni 2012 (Updated Jan. 2016)